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42-Jähriger verurteilt
Aschaffenburg 27.04.2023 - 16:46 Uhr
Zu drei Jahren und zwei Monaten Haft ist am Mittwoch ein 42-Jähriger am Amtsgericht Aschaffenburg wegen gewerbsmäßigem Bandenbetrug verurteilt worden. Gemeinsam mit anderen Männern, unter anderem mit dem bereits verurteilten T., hatte er versucht, mit sogenanntem Lovescamming (siehe: »Stichwort«) eine Frau um ihr Geld zu erleichtern. Was die Täter allerdings nicht wussten: Die Frau aus dem Kreis Miltenberg war lediglich ein Lockvogel. Der Fall war bereits Anfang April verhandelt worden, musste jetzt aber noch einmal komplett von Anfang an aufgerollt werden
Nach Verlesung der Anklageschrift durch Staatsanwältin Lara Winkler ließ der Angeklagte sich nach Absprache mit seinem Anwalt Matthias Kümpel auf den Vorwurf des Lovescammings ein. Er sei völlig unschuldig und vielmehr selbst ein Opfer der Fake-Identität von Douglas Fair. Immer wieder betonte er, dass er sich zum Tatzeitpunkt in England aufgehalten hat. Dort saß er auch in Untersuchungshaft, bis er nach Deutschland ausgeliefert wurde.
Der Beschuldigte argumentierte, dass er lediglich für einen bereits verurteilten Mittäter und einen Unbekannten als Übersetzer fungiert hätte. Dieser Unbekannte habe ihn mehrfach telefonisch bedroht. Auch von dem ominösen Douglas Fair wäre er bedroht worden. Als er nach eigenen Angaben dessen Nummer geblockt habe, sei Ruhe gewesen. »Ich habe nur jemandem einen Gefallen getan,« betonte er immer wieder. »Die haben mir das Leben in England zur Hölle gemacht.«
Die Frau, die die Sache auffliegen ließ, ist Mitglied eines Vereins, der Internetbetrüger und Lovescammer entlarven und überführen will. »Wir fordern allerdings niemanden auf und schreiben niemanden aktiv an,« erklärte sie. Die Frau wurde von »Sergeant Douglas Fair« auf einem Dating-Portal angeschrieben.
Zuerst korrespondierten die beiden über E-Mail, anschließend über WhatsApp. Zuerst sollte sie ihm 450 Euro über Western Union überweisen, damit er sie besuchen könne, was die Zeugin nicht tat. Dann wurde es kurios.
Erst Affen, dann Mercedes gefordert
Die Zeugin hatte jenem Douglas Fair in einer Nachricht erzählt, dass sie einen Affen als Haustier halten würde. Douglas Fair habe Interesse an so einem Tier gezeigt, bezahlen dafür sollte allerdings die Zeugin. Rund 50.000 Euro sollte sie ihm überweisen, dem sie nicht nachkam. Aus dem Affen wurde dann ein Mercedes, diesmal sollte das Geld dann persönlich übergeben werden. Die erste Übergabe platzte dann allerdings. Jetzt kam der bereits verurteilte T. ins Spiel. Er sollte die auf mittlerweile 75.000 Euro angewachsene Summe abholen. Dafür wollte er sich mit der Zeugin in einer Gaststätte in Großostheim-Ringheim treffen. Zuvor telefonierten die beiden mehrfach.
Auf den Beschuldigten wurde man dann durch eine E-Mail aufmerksam, die »Douglas Fair« geschrieben hatte. Dort wurde er namentlich erwähnt. Der falsche Sergeant glaubte wohl, dass der Beschuldigte sich durch ein Goldgeschäft ein Nebeneinkommen schaffen wollte und outete ihn daraufhin mit Bild und Namen. Die E-Mail mit dem Goldangebot stammte allerdings von einem James - eine Alias, der von dem Verein erfunden wurde.
Bemerkenswerte Erinnerungslücken
Als eher zäh ist die Aussage des Mittäters T. zu beschreiben. Teilweise sprach er so leise, dass man ihn kaum verstehen konnte. Außerdem hatte er bemerkenswerte Erinnerungslücken. Er betonte, dass er lediglich für die Geldübergabe vom Beschuldigten engagiert worden wäre. Für ihn sei das ein Job gewesen, um ein bisschen Geld für seine bevorstehende Hochzeit zu verdienen. Einen Douglas Fair würde er nicht kennen.
Dass der Angeklagte allerdings nicht unschuldig ist, wurde klar in den Chatverläufen zwischen ihm und dem mittlerweile verurteilten Mittäter T. nachgewiesen. Aus diesen ging hervor, dass der Beschuldigte sehr wohl über das Geld Bescheid wusste.
Staatsanwältin Lara Winkler forderte für den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Verteidiger Kümpel hingegen votierte für maximal zwei Jahre, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. Das Urteil lautete dann auf drei Jahre und zwei Monate, wobei die Zeit in der Untersuchungshaft in England angerechnet wird.
Mehrfach vorbestraft
Richterin Karin Nikolaus sagte in ihrer Urteilsbegründung, dass die Chatverläufe eine eindeutige Sprache sprechen und das Gericht davon überzeugt ist, dass es sich nicht um eine Beihilfe handelt. Ebenfalls nicht glaubwürdig ist ihrer Ansicht nach die Aussage, dass der Angeklagte lediglich als Dolmetscher und Übersetzer fungiert hat.
Dazu kommt, dass der Beschuldigte mehrfach vorbestraft ist - unter anderem wegen Hehlerei. Weiterhin habe er zum Tatzeitpunkt noch unter Bewährung gestanden. Der Haftbefehl gegen ihn wird aufrechterhalten. Sehr zufrieden mit dem Urteil waren die Frauen des Vereins, die während des Prozesses als Zuschauerinnen anwesend waren. »Wir haben etwas erreicht,« freute sich eine der Frauen, nachdem das Urteil gefallen war.
Miriam Weitz
Stichwort: Lovescamming
Beim Lovescamming oder Romance Scamming wird mithilfe von gefälschten Profilen in den sozialen Medien oder auf Dating-Portalen den Opfern die große Liebe vorgegaukelt, während es eigentlich nur darum geht, sich Geld zu erschleichen. Die Gefühle der Opfer sind den Scammern dabei ziemlich egal, es geht lediglich um monetäre Interessen. Die am meisten verbreitete Form von Lovescamming wird durch Organisierte betrieben, die in Nigeria oder Ghana sitzen. Betroffen sind meist ältere Frauen und Männer. Um sich vor den Liebesbetrügern zu schützen, empfiehlt das Bundeskriminalamt unter anderem, Profile und Fotos zu prüfen (oft werden diese mehrfach verwendet), keine Bilder oder Informationen zu teilen, mit denen man erpressbar wird und keine Geldgeschenke zu machen. Eine Selbsthilfegruppe ist das Romance-Scambaiter-Forum (www.romancescambaiter.de). Einige Frauen, die in dem Forum aktiv sind, waren auch als Zuschauerinnen beim Prozess.